Winterlich ists. Eisig auf den Strassen. Kriens wirkt an diesem Samstag Morgen trostlos. Ich trete in die Wärme des Museum Bellpark. Eine alte Villa, ein Juwel in diesem morgendlichen Grau.
Als ich im Untergeschoss des Museums ankomme, werden gerade die Stars des Tages fotografiert. Marius hält ein Fahrrad am Gepäckträger in der Balance. Für einen kurzen Moment lässt er das Fahrrad los, und Fotograf Marcel nutzt den Augenblick, um das frei stehende Rad zu fotografieren. Ein eingespieltes Team, das sieht man.
Reiseräder testen fürs Velojournal
Das Velojournal hat zum Testen von neuen Reisevelos eingeladen, und ich darf dabei sein, obwohl ich keine Ahnung von Technik habe. Ich bin gespannt, wie ich mich nützlich machen kann.
Bald schon treffen die drei weiteren Mitwirkenden ein: Velojournal Chefredaktor Pete Mijnssen, Reisejournalist und Buchautor Dres Balmer und Langzeit-Veloreisender Betzgi.
7 Reiseräder stehen zum Begutachten bereit. Organisator des Anlasses und technischer Redaktor des Velojournals, Marius Graber, porträtiert kurz jedes einzelne Fahrrad, dann dürfen wir Tester ans Werk. Anhand eines vorgegebenen Rasters beurteilen wir die Reiseräder.
Technik…?
Technisch wenig beschlagen, staune ich über die Neuerungen, die so neu vielleicht auch nicht mehr sind:
Ein Zahnriemen anstelle der Kette.
Ein im Lenker montierter, vom Dynamo gespeister USB-Anschluss zum Laden von Handy oder was immer du laden magst. Zwar soll das volle Laden eines iPhones etwa 6-8 Stunden dauern, aber es geht ja auch mehr darum, dass man das Gerät als Navigationshilfe nutzen kann und die Stromversorgung beim Fahren gewährleistet ist. Wie oft habe ich mir gewünscht, mein Handy nicht in der Sanitäranlage eines Campingplatzes zum Laden liegen lassen zu müssen – der Wunsch wird Realität.
Amüsiert entdeckt Pete zwei Ersatzspeichen, die am Rahmen eines Rades angebracht sind. „Wem ist zum letzten Mal eine Speiche gebrochen?“ fragt er in die Runde. Keiner kann sich daran erinnern, auch die Weitgereisten nicht.
Ein fix auf die Klingel montierter Kompass erinnert mich an den Inhalt einer Tischbombe. Lustig, was ich da alles zu sehen bekomme, wenn ich mich einmal richtig achte.
Wir knien also um diese Räder herum, die Stimmung ist locker, ab und zu erzählt Dres einen Witz. Fragen und Kommentare schwirren durch den Raum.
„Marcel“, wendet sich Chefredaktor Pete an den Fotografen, „für das Cover müssen wir dann auch noch Fotos machen“, höre ich im Hintergrund. Ja, an was man doch alles so denken muss bei der Produktion einer Zeitschrift. Spannend, da mal einen Einblick zu erhalten, denke ich noch, als Pete fortfährt:
„Ich könnte mir Doro oder Betzgi für das Cover vorstellen.“
Flüchten oder tot stellen
Huch! Das wird er ja nicht ernst meinen. Und sonst: Betzgi. Ich stelle mich gehörlos und begutachte hochkonzentriert das Velo vor mir.
Du wirst ahnen, wie es schliesslich kommt: Doro wird Model. Die Foto-Session lässt sich nicht abwenden.
Mit dem Velo unter dem Arm, Dres zu meinen Füssen, lache ich an der Kamera vorbei.
Augen nicht zukneifen beim Lachen.
Locker bleiben.
Und das Velo noch etwas steiler halten.
Und zack!, Dres kriegt eins mit dem Lenker auf den Kopf – pardon, Dres!
Der Fotograf hat Geduld. Ich nicht so, aber ich gebe mir Mühe. Der Platz vor der Kamera befindet sich definitiv ausserhalb meiner Komfortzone. Gut, eine neue Erfahrung, denke ich, als es vorbei ist.
In der Velojournal-Ausgabe 2017 / 01 glänzen also Dres und Doro auf dem Cover. Gucks dir ungedingt an! In dieser Ausgabe gibts übrigens auch einen kleinen Artikel von mir über Mieträder auf Mallorca.
Endlich Velo fahren
Und dann, endlich, endlich, dürfen wir die Reiseräder Probe fahren. Quer über das Eis im Park, es ist eine Freude. Und verblüffend, wie unterschiedlich sich die Fahrräder fahren. Wieder einmal der direkte Vergleich zwischen Scheiben- und Felgenbremse, wieder einmal einen Rennlenker in den Händen, was für eine feine Schaltung das Modell mit dem Zahnriemen hat, wie viel sicherer es sich mit breiten Pneus auf Eis fährt, …
Fast bekomme ich Lust, mir ein neues Velo zu kaufen. Ich liebe mein Reiserad, aber es ist schwer und sicher nicht raffiniert. Dafür robust und frei von unnützem Schnickschnack.
Wobei – wo Notwendiges endet und Schnickschnack beginnt, das lässt sich wunderbar mit Dres diskutieren. Bei ihm sind schon Schutzbleche Schnickschnack. Gepäcktaschen ebenso. Dres ist am liebsten mit dem Rucksack unterwegs. Bei längeren Reisen montiert er zwar Gepäcktaschen, aber höchstens zwei kleine vorne am Lowrider.
Fazit an der Wärme
Über Derartiges diskutieren wir nach der Probefahrt im gemütlichen Café Ambrosia, das zum Veloladen Velociped gehört.
Was unser Fazit des heutigen Test-Tages sei, interessiert Marius.
Die weite Bandbreite an Reisevelos – mit diesem Fazit sind alle einverstanden. Vom einfachen Rennvelo-ähnlichen Leichtgewicht über das MTB bis zum Schnickschnack-gespickten Super-Tourer ist wirklich alles dabei.
Wer sich ein Reiserad kaufen will, muss schon vor dem Kauf wissen, wofür er es brauchen möchte:
- Willst du Island durchqueren, wählst du bestimmt kein superleichtes Fahrrad mit schmalen Reifen, sondern eher das robuste mit den halbfetten Pneus.
- Gehst du auf eine dreijährige Reise durch die Welt, wirst du ein Velo haben wollen, dessen Bestandteile leicht ersetz- oder reparierbar sind.
Solche Fragen diskutieren wir am Tisch. Und mir wird je länger je klarer, dass auch wir Velofreunde am Tisch eine gute Bandbreite an Radfahrern repräsentieren.
Von „Bitte kein Schnickschnack am Velo“ über „Ich brauche ein Baukastensystem – ein Velo ab Stange bringt mir nichts, ich baue es ohnehin mit meinem Lieblingszubehör aus“ bis zu mir als Repräsentantin von „Gebt mir ein Velo, das stabil ist und funktioniert. Ich will möglichst nichts mit Technik zu tun haben.“
Daher ist ja alles in Ordnung: So unterschiedlich die Wünsche von uns Konsumenten, so unterschiedlich die Angebote an Reiserädern.
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Vielen Dank an die Velojournal-Redaktion für diesen vergnüglichen, lehrreichen Tag!
Fotos: Velojournal
Hi Doro,
du gibst ein super Model ab. Mehr davon! 🙂
Ich freu mich mit dir über deinen Start ins Rampenlicht und bin gespannt, was da noch alles kommt.
Liebe Grüße
Mischa
Haha, danke, lieber Mischa!
Ich wusste doch, dass da noch irgendwas Bedeutendes auf mich wartet…
So liegt die Zukunft bei mir wie bei dir verheissungsvoll offen. Hüpfen wir rein!
Ganz herzlich,
Doro
Liebe Doro!
Da sitzt sie, meine Foodblogerin als Modell, zwischen Pedalen und Umwerfer, Scheibenbremsen und trägt Reiseräder durchs Treppenhaus.
Ich bin schwer fasziniert.
So schöne Bilder von Dir, toller Text, stimmig !
Und all dieses, dein Tun und Wirken ist mir untergegangen – vor lauter Eigenkramerei.
Da verpasst man echt etwas…!
Wundervoller Tag – zu Dir.
Gruss Susanne
… und bei all dem Tun war ich immer satt & selig genährt.
Danke, liebe Susanne!