Das ist ein Gastartikel von Katrin Eichhoff, die seit Jahren mit Rad, Hund und Anhänger unterwegs ist. Auf ihrem Blog Radlhund.de gibt sie Tipps zu Anhängern und Touren mit Hund. Katrins routinierter Begleiter ist ihr Hund Napoli.
Bekannt wurde die Region Abruzzen in Mittelitalien 2009 und 2016/17, als dort die Erde wackelte. Die Verwüstungen sind heute noch deutlich sichtbar, Ortschaften noch lange nicht wieder aufgebaut. Doch wer die Gegend aus diesem Grund meidet, dem entgeht ein erstklassiger und vielseitiger Radurlaub.
Die verkehrsarme Gegend besticht durch ihre weite und sanfte Landschaft.

Karte und Übersicht über die Touren

Gran Sasso – einsam wie im Wilden Westen
Der bekannteste der vier Nationalparks ist der Gran Sasso und Monti della Laga, der eine größere Fläche beheimatet als die Insel Hawaii aufweisen kann.
Mit 2912 Metern ragt der Corno Grande als höchster Gipfel in den azurblauen italienischen Himmel. Zu seinen Füssen erstreckt sich eine karstige Hochebene, der Campo Imperatore, dessen steppenartige Flora im Herbst alles in goldenes Licht taucht.


Ein paar Autos verlieren sich in der Endlosigkeit der Strassen, sonst gehört das Land den frei weidenden Rindern, und Pferden, die begleitet von Hirten, durch das sparsame Gras streifen.
So beeindruckend und friedlich ist dieses Hochtal, dass es des Öfteren als Kulisse für Filme diente. Etwa Bud Spencer und Terrence Hill drehten hier „Vier Fäuste für ein Halleluja“.
Auch Napoli fühlt sich wie im Wilden Westen – oder so…

Über die Autobahn aus Richtung Rom anreisend, wirkt der Gebirgszug des Gran Sasso zunächst ernüchternd. Doch während der abendlichen Auffahrt zum Hochplateau steigt meine Freude über einen Übernachtungsplatz unter einem grandiosen Sternenhimmel. Man hat die Qual der Wahl, denn ein Parkplatz ist schöner als der andere und nirgends verscheucht ein Verbotsschild den autarken Reisenden.
Die Herdenschutzhunde sind allgegenwärtig. Scheu, aber interessiert, nähern sich manche den parkenden Autos. Ein Griff ins dicke Fell beweist, wie mager sie im Grunde sind.

Tour 1: Campo Imperatore
Radfahren bietet sich hier förmlich an. Die Strassen sind breit, bestens in Schuss und in der Nebensaison wochentags wie ausgestorben. Ob mit Mountainbike über Schotterpisten oder mit Rennrad über Asphalt.


Alles ist möglich und Rundfahrten lassen sich je nach Lust und Laune beliebig variieren. Während Wanderwege bestens beschildert sind, muss die Gegend für Mountainbiker erst noch erschlossen werden. Mit Karte und ein bisschen Abenteuerlust kommt man aber gut zurecht, was nicht zuletzt daran liegt, dass die weitläufige und offene Landschaft die Orientierung erleichtert.

Meine erste Auffahrt führt zum bekanntesten Punkt der Gegend: dem Parkplatz auf 2100 hm mit Rifugio, Observatorium und Bergbahnstation der Funivia Gran Sasso.
Ein sonniger Tag, die Berggrate heben sich messerscharf gegen den Himmel ab. Doch ein kalter, stürmischer Wind treibt uns über den Teer. So heftig, dass der Anhänger für meinen vierbeinigen Begleiter einige Male kippt.
Wind und aufziehende Nebelfetzen sollen mich über die gesamte Reisedauer begleiten – jedes Mal mystisch anmutende Naturspiele.


Tour 2: Valle del Tirino – Radfahren mit jeder Menge Dolce Vita
Etwas zögerlich verlasse ich den Campo Imperatore, der mich so in seinen Bann gezogen hat und begebe mich ins Valle del Tirino. Die Hügel werden sanfter, grössere Flächen landwirtschaftlich genutzt.

Einige verträumte Orte liegen des Weges: Castel del Monte, Calascio, Capestrano, Ofena. Wenn auch Baukräne allgegenwärtig sind und an die Schäden der Erdbeben erinnern, lassen sich hübsche Gassen und ein Dorfplatz finden, der zum Verweilen einlädt.
Castel del Monte:


Calascio Dorf:

Calascio Rocca:



Capestrano:


Ofena:


Der Gran Sasso ist mit dem Auto gut an einem Tag zu umrunden. Auf der sehenswerten Strecke liegen pittoreske Dörfer und stille Wälder. Wer – etwa wetterbedingt – schnell auf die Nordostseite gelangen möchte, nimmt einfach die Autobahn, die im Tunnel mitten durch das Massiv verläuft.
Während des Urlaubs bin ich auf diese Weise tatsächlich zweimal dem Regen ausgewichen. Denn an der Adriaküste, die nur etwa eine Fahrstunde entfernt liegt, ist es oft freundlich, während es in den Bergen schüttet.
Mit einem dichten Mischwaldgürtel ist die Nordostseite des Gran Sasso an kühlen, nebligen Herbsttagen eher zweite Wahl. Ich passiere sie daher schnell und steuere den Lago di Campotosto an.
Tour 3: Lago di Campotosto
Zahlreiche Picknickplätze entlang des Ufers zeugen von grosser Attraktivität des Sees im Sommer. Jetzt ist die Gegend menschenleer und auf der unverbauten Uferstrasse lässt sich der See aus wirklich allen Perspektiven bestaunen.


Über Nacht hat es in der Höhe geschneit und die Bergspitzen blitzen in der Sonne. Wieder ein Platz, an dem man noch ein paar Tage bleiben möchte. Doch es gibt noch so viel zu sehen.


Tour 4: Monti Sibillini (Marken und Umbrien)
Der Empfehlung anderer Camper folgend, fahre ich weiter in die Monti Sibillini, ins Grenzland der Abruzzen, dort wo die Region Marken beginnt.
Mir wurde die Piana Grande ans Herz gelegt, eine landwirtschaftlich genutzte Hochebene, platt wie ein Teller, umringt von Hügeln und Gebirge.
Die Google-Suche zeigt Fotos von einem Örtchen, das anmutig auf einem Hügel über der Ebene thront: Castelluccio di Norcia in Umbrien – berühmt für seine Linsen und die prächtigen Farben während deren Blütezeit. Schaut klasse aus.

Schon auf der Fahrt wird klar: hier hat das Erdbeben weit mehr gewütet. Beklommen nähere ich mich dem Postkartendorf auf dem Hügel und erfasse, dass es fast vollständig zerstört ist.
Übrigens sind die Einheimischen, die tapfer und unverdrossen mit ihren Provisorien leben und sich die gute Stimmung scheinbar nicht nehmen lasse, in der gesamten Region ausgesprochen freundlich.


Die Gegend ist ein beliebtes Wochenendziel bei einheimischen Wanderern und Mountainbikern. Ich starte in eine Umrundung der Piana Grande auf Schotter, Wiesentrails und leichten Wanderpfaden in stetigem Auf und Ab.




Nicht alle Trails sind geeignet für meinen Anhänger, und ein Italiener auf einem sehr guten Mountainbike schaut mich etwas ungläubig an. Gegen Ende der Tour habe ich seinen Respekt dann doch gewonnen, weil ich meinen Vierbeiner wacker zur Passhöhe hinauf ziehe.

„Diese verrückten Deutschen“, wird er sich denken.
Praktische Infos zu den Abruzzen
Reisezeit:
Ende September bis Mitte Oktober.
Selbst im Oktober kann es warm werden. Sonnenschutz, Schattenstopps und Besuche an Brunnen oder Gewässern sind angesagt:

Anreise:
Um an verschiedenen Gegenden verweilen zu können, empfiehlt sich ein Campingmobil, denn Unterkünfte sind rar. Die Anfahrt über die Autobahn A 24 aus Richtung Rom ist am entspanntesten, wenn auch ein Umweg.
Möchtest du mit dem Zug anreisen, lade dir am besten die Wegleitung zur Fahrradmitnahme in italienischen Zügen herunter.
Camping:
Wildes Campen ist überall erlaubt. Wasser gibt es an Brunnen. Selbst öffentliche Mülleimer sind gut zu finden. Campingplätze hingegen sind eher rar und machen spätestens Ende September zu. Gelegentlich weist ein Schild auf einen Agriturismo hin, der auch Campern offen steht. Erkundige dich besser im Vorfeld.
Verpflegung:
Restaurants sind selbst in Ortschaften eher selten. Einfache Verköstigung gibt es in den Dorfbars.
Wer einkaufen möchte, darf nicht in jedem Dorf einen Tante Emma-Laden erwarten. Für Supermärkte muss der Reisende sich etwas aus der Bergregion hinaus bewegen. Lidl ist beispielsweise in der Region vertreten.
Literatur:
Reiseführer Abruzzen* von Sabine Becht, Sven Talaron
Michael Müller Verlag
Karten, geeignet zum Wandern und Radfahren:
KOMPASS Wanderkarte Parco Nazionale del Gran Sasso e Monti della Laga*, 4in1 Wanderkarte 1:50000
KOMPASS Wanderkarte Monti Sibillini nel Parco Nazionale*, 1:50000
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Herzlichen Dank, liebe Katrin, dass du uns diesen Artikel geschenkt hast! Weiterhin viel Freude auf deinen Touren, dir und Radlhund Napoli.

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