In diesem Jahr hatte ich kaum Gelegenheit zum Fahrradfahren in Italien. Ein kleines Zeitfenster habe ich genutzt, um mich an 4 Tagen auf 3 ausgewachsenen und 2 kleinen Pässen auszutoben. Die erste Etappe führt über den Berninapass nach Italien.
Klick auf die folgende Karte, um die Tour genauer zu sehen.
Das Programm:
Tag 0: Susch im Engadin – Camping Morteratsch, Pontresina
Tag 1: Morteratsch – Berninapass (2330) – Tirano – Bormio
Tag 2: Bormio – Stelviopass (2757) – Prad am Stilfserjoch
Tag 3: Prad – Ofenpass (2149) – Livigno
Tag 4: Livigno – Passo dell’Eira (2208) – Passo di Foscagno (2291) – Bormio
Tag 5: Bormio – Tirano – Zug zurück
Tag Null – das Engadin entzückt
Um überhaupt mal in Italien-Nähe zu gelangen, fahre ich mit dem Zug nach Susch im Engadin und pedale von dort bis zum Camping Morteratsch, an der Berninapass-Strasse oberhalb von Pontresina.
Die Strecke fahre ich nicht zum ersten Mal, unterschätze sie aber einmal mehr, immerhin steigt die Strasse über 45 km um 450 Höhenmeter auf 1870 m.ü.M. Das ist grundsätzlich nicht allzu viel, aber weil ich erst am Nachmittag losfahre und einigermassen untrainiert und überhaupt nicht Höhenluft-gewohnt bin, zieht sich der Weg überraschend.
Wie immer entzückt mich das Engadin. Einer der schönsten Welt-Flecken, die ich kenne.
Der schönste Campingplatz der Welt
… oder wenigstens einer der schönsten: Camping Morteratsch bei Pontresina im Engadin.
Kindheitserinnerungen. In diesen eiskalten Gletscherbächen haben wir stundenlang Bauwerke erstellt oder einem geduldigen Golden Retriever Steinchen zugeworfen.
Viel hat sich nicht verändert auf dem Platz. Die Sanitäranlagen sind richtig chic geworden, und neu gibt es auch ein kleines Restaurant. Aber die geliebte kleine Brücke ist immer noch dieselbe:

Ein Bernina Bier am Berninapass mit Blick aufs Berninamassiv
Rauf auf den Berninapass
Route Tag 1: Morteratsch – Berninapass (2330) – Tirano – Bormio
Die Berninapass-Strasse eröffnet grandiose Blicke ins Berninamassiv:
Bis zur Passhöhe sind es vom Campingplatz aus 11 km und 500 Höhenmeter. Einige steilere Stellen und ein giftiger Gegenwind fordern heraus, aber ganz sicher ist die Nordseite des Berninapass wesentlich leichter zu befahren als wenn du von Süden kommst.
Am frühen Morgen hat es noch nicht sonderlich viel Verkehr. Ansonsten ist die Strecke auch bei Motorradfahrern sehr beliebt und manchmal richtig hektisch.
Schau dir mal den frechen Motorradfahrer vor der Passtafel an. Der klebt gerade seine Werbung auf die Tafel…
… und verewigt sich mit dem neuen Kleber auf einem Selfie…
Runter nach Tirano
Schussfahrt vom Berninapass in Richtung Poschiavo und Tirano. Von 2330 auf 441 Meter über Meer hinunter. Es wird warm und wärmer.
Von Tirano nach Bormio
Tirano gefällt mir immer wieder. Das Santuario della Madonna bimmelt gerade den Mittag ein, als ich hier meine verkrampften Bremshände entspanne und den ersten würdigen Kaffee nehme.
In Tirano erlebe ich eine Szene, die meine Italien-Liebe neu auflodern lässt:
In einem Supermarkt frage ich an der Kasse, ob das hier denn die Strasse nach Bormio sei. Ja, sagt sie, das sei richtig. Auf dem Parkplatz verstaue ich meine Einkäufe in den Velotaschen, als ein Mann auf mich zu kommt:
“Du willst mit dem Fahrrad nach Bormio?”
“Ja. Ein bisschen heiss heute, aber ja”, antworte ich.
“Du musst nicht diese Strasse nehmen. Es gibt einen Radweg, der bis Bormio führt”, sagt er.
Er erklärt mir, wie ich zum Radweg gelange, steigt auf sein Motorrad und braust davon. Der Gute hätte mich ja auch einfach auf der hässlichen Hauptstrasse pedalen lassen können. Aber nein, das tut er eben nicht, und ich bin ihm total dankbar, weil:
Was für ein Radweg das ist! Zuerst fürchte ich ja noch, dass es sich um einen Mountainbike-Weg handelt, der mich über steile Schotterpisten oder dergleichen führt, aber dann sehe ich, dass ich mich auf dem Sentiero Valtellina befinde, was für ein Glück!
Der Sentiero Valtellina! Den habe ich schon einmal vom Comersee bis Tirano befahren und war damals schon begeistert. Nur hatte ich vergessen, dass er weiter bis nach Bormio führt.
Was für eine famose Überraschung, was für ein grandioser Fahrradweg. Wenn du einmal wenig Zeit, aber grosse Lust auf Fahrradfahren in Italien hast, ist der Sentiero Valtellina etwas, was du gut in 2-3 Tagen machen kannst.
Perfekt ausgebaut, einwandfrei markiert, alle paar Kilometer findest du Rastplätze mit Wasserstellen, und die Ortschaften am Weg sind bezaubernd.
Kurz vor Bormio, in Cepina, gibt es einen Campingplatz. Nicht sonderlich schön oder sympathisch. Ich darf mein Zelt zwischen zwei Bungalows stellen. Das ist ok.
Cepina ist ein hübscher kleiner, unspektakulärer Ort, wie ich sie mag.
Beim Ortsbesuch gibts ein Gelato zum Aperitiv und auf dem Campingplatz eine vorzügliche Pizza vor dem Zelt.
Am nächsten Tag gehts los auf den Pass aller Pässe: den Passo dello Stelvio.