Auf Sardinien lässt sich bestens Fahrrad fahren. In diesem Artikel findest du die GPS-Dateien meiner Tour, Tipps für die Fähre nach Sardinien und meinen Erfahrungsbericht über die Sardinien-Radtour im September.
Begonnen habe ich die Tour in Olbia, bin fast immer der Küste gefolgt, das Meer immer zu meiner Rechten. Nur den Südwesten der Insel habe ich aus Zeitgründen ausgelassen (Zug von Oristano nach Cagliari).
Karte, Übersicht, GPS-Daten
Hier siehst du die Tour auf Komoot*.
Klicke unten auf die passende Karte, um die entsprechende Tour zu öffnen. Wenn du die GPS-Daten herunterladen möchtest, aber kein Komoot-Mitglied bist, melde dich bei mir.
* Bitte beachte, dass ich die Tour am Computer erstellt habe. Sie kann von der tatsächlich gefahrenen Tour abweichen.
Fähren nach Sardinien
Nach Sardinien gelangst du mit deinem Fahrrad am bequemsten mit der Fähre. Die Auswahl der Verbindungen ist gross. Ich bin von Genua nach Olbia gefahren und habe die Hinfahrt ein paar Tage vor Abfahrt online gebucht, und die Rückfahrt spontan am Abfahrtstag am Hafen in Olbia.
Das Fahrrad fuhr jeweils kostenlos mit. Bei der Online-Buchung suchte ich vergeblich das Fahrrad in der Fahrzeugauswahl. Ein Personenticket reicht also.
Auf Sardinien hat es 3 grössere Fährhafen: Olbia, Porto Torres und Cagliari. In den Sommermonaten gibt es auch Verbindungen nach Arbatax oder Santa Teresa. Einzelne Fähren legen auch in Golfo Aranci an – etwas ausserhalb von Olbia im Nordosten der Insel.
Hier einige beliebte Fährwege nach Sardinien:
- Genua – Olbia
- Genua – Porto Torres
- Livorno – Olbia
- Piombino – Olbia
- Civitavecchia (Rom) – Cagliari
- Civitavecchia (Rom) – Olbia
- Napoli – Cagliari
- Palermo – Cagliari
- Savona – Porto Torres
- Nizza – Porto Torres
Eine gute Übersicht über die Fährverbindungen nach Sardinien findest du zum Beispiel auf dieser Seite: https://www.traghetti-sardegna.it/
Und falls du dich fragst, wie du denn überhaupt mit dem Fahrrad an einen Hafen gelangen sollst: Genua ist mit dem Zug ab Mailand am einfachsten und schnellsten zu erreichen. Du kannst dir gerne auch die Wegleitung zur Fahrradmitnahme in italienischen Zügen herunterladen. Da erfährst du auch mehr zum Fahrrad-Ticket in Zügen und wie du so eins lösen kannst.
Fahrrad fahren auf Sardinien

Sardinien lässt sich gut per Fahrrad erkunden. Zwar gibt es nur selten Radwege wie das obige Vorzeige-Beispiel, aber neben den Autos bleibt meistens genügend Platz für Radfahrer.
Auf meiner Sardinien-Rundtour bin ich vorwiegend auf den Strassen gefahren, die nahe dem Meer entlang führen. Obwohl hier der Hauptteil des Tourismus stattfindet, hatte ich im September sehr selten den Eindruck, dass es übermässig viel Verkehr hatte.
Mit einer Ausnahme: von Cagliari nach Villasimius fuhr ich ausgerechnet am Freitag Abend, und das war dann eine einzige kilometerlange Kolonne auf einer ziemlich schmalen Strasse.
Im Landesinneren sind die Strassen oft schmaler, dafür gibt es dort auch weniger Verkehrsaufkommen.
Insgesamt kannst du auf Sardinien also gut Rad fahren. Denke aber daran, dass das Eisenbahnnetz hier sehr bescheiden ist. Du kannst also nicht an jedem Ort in einen Zug einsteigen, wenn du die Strecke kürzen möchtest. Aber allenfalls finden sich Busse, die auch Fahrräder mitnehmen.
Jetzt aber ab auf die Sardinien-Radtour!
Von Olbia nordwärts – Costa Smeralda
Die Fähre legt morgens in Olbia an. Das mag ich, so kann ich gleich in morgendlicher Frische lospedalen. Ich fahre also nordwärts, der viel gerühmten Costa Smeralda entgegen.
Zuerst schaue ich mich aber am Capo d’Orso um, dem Bärenkap. Um zum Bären zu gelangen, gehts das erste Mal so richtig schön aufwärts. Ich wandere etwas in den verwitterten Steinen herum, geniesse den Weitblick übers Meer und frage mich, wo denn jetzt dieser Bär ist?
Ein grosser Fels in Bärenform gibt dem Capo d’Orso den Namen, aber er ist von nahem gar nicht so gut erkennbar, und ich habe tatsächlich kein Foto zustande gebracht, auf dem der Bär auch wirklich erkennbar ist. Es wäre der Fels auf dem ersten Foto unten.


Jetzt also zur Costa Smeralda. Ich freue mich schon, mich dort in ein hübsches Café zu setzen, wo ich diesen berühmten und bestimmt prächtigen Küstenabschnitt so richtig geniessen kann.
Leider finde ich weder das hübsche Café, noch den prächtigen Küstenabschnitt. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso diese Costa Smeralda so berühmt ist. In Porto Cervo, dem zentralen Ort, gibts – welche Überraschung – bloss einen Yachthafen und ganz viele Ferienhäuser, aber sonst im Grunde nichts zu sehen.
Was ich in jenem Moment noch nicht weiss: diese Küste (also, eigentlich fast ganz Sardinien) besteht aus vielen kleinen Buchten, zu denen man gezielt hinfahren muss, und dann kann man dort wohl ganz grandiose Badetage erleben. Aber das interessiert mich jetzt ja nicht besonders, und so ziehe ich weiter und überlasse die Costa Smeralda den Schönen und Reichen.
La Maddalena und Caprera
Ich übernachte auf dem Camping Baia Saraceno in Palau und kann darum gleich frühmorgens auf die Fähre von Palau nach La Maddalena. Die Überfahrt dauert nur 15 Minuten.



La Maddalena hat einen hübschen Hafen und ein lebendiges Zentrum.
Ich fahre zuerst über diesen bequemen Damm auf die Nachbarinsel Caprera.

Richtig viel zu sehen gibts auf Caprera nicht, aber ich bin ganz selig über die ruhigen Strässchen, auf denen sich ganz famos Fahrrad fahren lässt.

Auf der Insel Caprera kannst du das Grab und ein Museum von Giuseppe Garibaldi besuchen. Er hat seine letzten Lebensjahr auf Caprera verbracht.
Zurück auf La Maddalena mache ich eine Rundfahrt um die Insel und bleibe immer wieder an Stellen hängen, wo ich einfach die Gegend bestaune. Vor allem die Farbe des Meeres haut mich um. Manchmal auch der Wind, der unverhofft um die nächste Ecke pfeift.
Nimm unbedingt das Badezeug mit auf La Maddalena. Die Auswahl an kleinen Badebuchten ist fast endlos.

Capo Testa
30 km westlich von Palau, gelange ich zum grossartigen Capo Testa. Da könnte ich den ganzen Tag bleiben.
Obwohl, «grossartig» beschreibt nichts. Beeindruckend, berührend, gewaltig, himmelschön. Das mächtige Meer, die Klippen, die lustigen Gesteinsformen, das Rauschen, das Wellen, das Blau, das Glitzern. Dieser winzige Strand im Talgrund. Von oben sehen die Leute aus wie kleine Fischchen, wenn sie im Meer schwimmen.
Der Blick nach Korsika ist ebenfalls der Szene würdig – tatsächlich sehe ich die Kreidefelsen leuchten. Ein paar fette Yachten und die Fähre kreuzen den Kanal.



Costa Paradiso
Auf der Weiterfahrt nach Westen wirds ein bisschen öde. Auf der Karte könnte man meinen, die Strasse würde dem Meer entlang führen. Tut sie im Grunde auch, aber die Meersicht ist von einem Hügelschwung verdeckt. Also ists landschaftlich mässig interessant.
Und dann gehts bergauf. Zuerst problemlos, dann zieht sichs, dann habe ich Hunger, dann esse ich – für mich sehr ungewöhnlich – in einem an der Strasse gelegenen Agriturismo einen Teller Pasta. Das zeigt wieder mal, dass man öfter mal etwas Ungewohntes tun soll, denn mit dem Essen kehrt auch meine Energie zurück.
Dann der Fehler: Ich befolge den Tipp eines Freundes und zweige zur Costa Paradiso ab. Zuerst überquere ich 2 km den oben erwähnten Hügelschwung, dann gehts 3 km abwärts, immer steiler.
Zuunterst erreiche ich dann tatsächlich das Paradies. Eine Ansammlung von Ferienhäusern, viel mehr gibts nicht zu sehen. Kein nennenswerter Strand. Nicht mal ein einladendes Café. Was soll denn hier so grandios sein?
Dann folge ich dem kleinen Weg, und eine Viertelstunde später blicke ich auf eine Bucht, die ich hier nie vermutet hätte. Also wirklich, die Strände sind umwerfend. Ich verstehe alle Strand-Fans, die nach Sardinien und speziell zur Costa Paradiso kommen.

Voller Freude denke ich mir, dass es hier doch bestimmt eine Übernachtungsmöglichkeit gibt, und dann kann ich hier einen paradiesischen Abend verbringen. Leider nein, Mitte September ist hier schon Saisonende, Hotel geschlossen und sonst kann ich nichts Unterkunftähnliches erkennen.
Die Rückkehr zur Küstenstrasse ist, ich habs schon erwähnt, mordssteil. Und weil es schon gegen Abend geht, ist die Strasse schliesslich auch ordentlich befahren, und es geht nochmals hoch, damit ich dann nach 104 Tageskilometern gut erledigt bin und meinen Aufenthalt auf dem Camping International in Valledoria so richtig geniesse.
Elefantenfels und Castelsardo
Am Morgen gucke ich noch beim berühmten Elefantenfels vorbei, dann pedale ich weiter westwärts.

Castelsardo gefällt mir auf den ersten Blick. Und auch beim Bummel durch den Ort hätte ich Lust, länger hier zu bleiben.






Stintino und l’Asinara
Die Fahrt nach Stintino ist nicht sonderlich interessant. Unterbrochen von einem kurzen Highlight in Porto Torres, weil dort so ein richtiger, echter Radweg durch die Stadt führt.

Und dann eben: langweilige Landschaft, ziemlich flach. Ich frage mich schon, ob ich Stintino nicht einfach auslassen soll, wie ich es ursprünglich geplant hatte, aber gestern Abend hat jemand so sehr von l’Asinara geschwärmt und dass ich da unbedingt hin müsste, dass die Neugier siegt.
Stintino selber ist ganz hübsch. Vor allem die kleine Buchhandlung mit Meersicht – ein Traum!

In der Touristeninformation erfahre ich, dass die Boote nach l’Asinara nur am Morgen ablegen, also suche ich mir ein B&B für zwei Nächte und nutze die freie Zeit, um ans Capo Pelosa zu fahren, an den nördlichsten Punkt bei Stintino.
Was für eine Überraschung, als ich mich mitten in argem Verkehr wiederfinde und schliesslich entdecke, dass die Spiaggia La Pelosa wohl sehr beliebt ist bei den Italienern…

Wie es hier wohl im Sommer aussehen mag, wenn es an einem normalen Werktag Mitte September so voll ist?
Weiter nördlich ists etwas ruhiger.

L’Asinara
Am nächsten Morgen gehts dann samt Fahrrad aufs Boot nach l’Asinara. Es ist nur ein Tagesausflug, also reise ich mit kleinem Gepäck.
L’Asinara ist 17 km lang und 6 km breit, also winzig. Und ziemlich flach, auch wenn ihr höchster Punkt immerhin auf 400 Metern liegt. Bis ins Jahr 1990 war l’Asinara eine Gefängnisinsel, im Jahr 1997 wurde sie zum Nationalpark.
Das Boot ist gut besetzt, es legt um 9.30 Uhr auf der Insel an. An der Anlegestelle wird uns nochmals verklickert, dass das Boot um 16.45 Uhr zurückfährt. Wer zu spät kommt, muss sich selber organisieren.
Gut, ich habe einen ganzen Tag Zeit, um die Insel zu erkunden und fahre los.
Navigieren ist auf l’Asinara so einfach wie sonst nirgends: es gibt eine Zementstrasse – fertig. Natürlich gibt es noch Hunderte Offroad-Wege, aber wenn du einfach nur einmal mit dem Fahrrad über die Insel willst, ist die Zementstrasse ganz praktisch und bequem.

Das Schöne an l’Asinara ist die Ruhe. Es hat kaum Verkehr auf dem Strässchen, es gibt kilometerweit weder Häuser noch sonst ein Zeichen von Menschenleben.
Ganz einfach Natur.
Ziegen, Esel, Schmetterlinge.
Und ganz viel Meer.
Ich will jetzt aber auch nicht behaupten, dass l’Asinara die ultimative Insel ist, die du unbedingt gesehen haben musst. Gut möglich, dass das Erlebnis wesentlich intensiver wäre, wenn man mit einem Mountainbike oder gar mit einem der 4×4-Anbieter abseits der Zementstrasse unterwegs wäre.
Entschleunigen tut ein Tag auf l’Asinara auf jeden Fall, und es gibt ein paar ganz wunderschöne Ecken und Badebuchten.






Capo Caccia und Grotta di nettuno
Auf dem Weg von Stintino südwärts, schiebt mich ein starker Rückenwind. So fährt sichs formidabel.
Rasch komme ich so zum Capo Caccia. Ein knackiger Aufstieg, aber er ists unbedingt wert. Auf der Rückseite des Felsen führt ein langer Treppenweg hinunter zur Grotta di Nettuno, der Neptun-Höhle.
Mich interessiert vor allem der Weg, und der ist echt spektakulär. Das Meer tobt wild unterhalb, und der Weg ist «einfach» in den Fels gehauen.
Spektakulär wirds dann, wenn die vielen Ausflugsboote ihre Passagiere in der Höhle abladen. Sie fahren zur Hälfte in die Höhle hinein. Das wellt und tobt, als wollte sich die Natur sträuben gegen die Eroberung dieser Höhle. Da frage ich mich immer, wer das alles zum ersten Mal ausprobiert hat, und wie das damals so zu und her ging.







Alghero
Die Fahrt bis Alghero ist dann nicht mehr spektakulär.
Ich stelle mein Zelt auf dem Camping Mariposa auf. Der Platz liegt direkt am langen Strand von Alghero. Du kannst also, falls dir das Freude bereitet, vom Campingplatz barfuss im Sand bis ins Zentrum gehen.
Algheros Altstadt ist absolut sehenswert. Besonders die Aussenmauer, auf der du die Altstadt umrunden kannst, immer mit Blick aufs Meer.







Von Alghero nach Bosa
Um von Alghero südwärts nach Bosa zu gelangen, darfst du über einen Pass fahren. Der höchste Punkt liegt auf 370 Metern, was nicht nach sonderlich viel klingt, aber stell dich trotzdem mal auf eine Passfahrt ein.
Heute ists gewitterig und windig. Immer wieder mal ziehen Wolken in die Hügel. Fast zuoberst am Pass erscheinen 2 Kühe aus dem Nebel. Mitten auf der Strasse. Da ist mir die Schweinefamilie dann schon lieber, die etwas später über die Strasse trottet.
In Bosa verstehe ich dann nicht so recht, warum der Ort so hochgelobt wird. Entweder finde ich das Zentrum nicht oder ich habe zu viel davon erwartet.









Is Arutas
Die Strasse, die ich von Bosa in Richtung Cuglieri wähle, geht erst friedlich am Meer entlang, und dann senkrecht hoch. Also wirklich, so steil, dass ich meine, mir brechen gleich die Knie ab.
Aber auch das überlebe ich, und dann bin ich auf einer Art Hochplateau, das mich mit seinen Mäuerchen und Schafen ein wenig an Grossbritannien erinnert.
Runter gehts dann wesentlich zahmer, und bald schon bin ich wieder auf Meereshöhe. Die Fahrt bis zum Camping Is Arutas auf der Sinis-Halbinsel ziehts sich dann unerwartet, besonders mit dem starken Gegenwind.
Der Camping liegt direkt am Strand Is Arutas, der seines weissen Quarzsandes wegen bekannt ist.





Der Strand von Is Arutas








Zug von Oristano nach Cagliari
Weil ich zu wenig Zeit habe, um ganz Sardinien per Fahrrad zu umrunden, nehme ich von Oristano nach Cagliari den Zug. Das ist ein spezielles Fahrrad-im-Zug-mitnehmen-Erlebnis, von dem ich im Artikel Fahrrad-Transport in italienischen Zügen berichte.
Cagliari verlasse ich zügige und sehe leider kaum etwas von dieser Stadt. Ich würde mir besser hier ein Zimmer nehmen und morgen weiterfahren. Auf dem Weg nach Villasimius gerate ich nämlich in eine unendlich lange Autokolonne, in der es ziemlich nervös zu und her geht.
Costa Rei
Die Costa Rei ist auch so ein Name, der mich lockt. Ein 10 Kilometer langer Küstenabschnitt, etwa 50 km von Cagliari entfernt.
Tatsächlich habe ich da von der Strasse aus bezaubernde Ausblicke aufs Meer. Ansonsten das übliche: viele Ferienhäuser, wenig Erbauliches für durchreisende Radfahrer*innen.
Ich übernachte etwas nördlich der Costa Rei, fast schon beim Capo Ferrato auf dem Camping Tiliguerta*, den ich herzlich gern empfehle. Er liegt direkt am Meer, hat einen eigenen Strand, ist sauber und freundlich.


Capo Ferrato
Weil ich mir auf dem Camping einen Ruhetag gönne, habe ich Zeit, zu Fuss das Capo Ferrato zu erkunden und einfach ein bisschen am Meer zu sein und die dramatische Abendstimmung zu bestaunen.




Passo Genna Silana
Zwischen Capo Ferrato und Tortolì ists nicht sonderlich nett, manchmal etwas unheimlich, aber das mag auch an den düsteren Wolken liegen, die heute tief hängen.
Zwischen Tortolì und Dorgali liegt der Passo Genna Silana auf 1017 Metern. Hier kannst du nochmals zeigen, dass dir ernst ist mit Radfahren auf Sardinien. Anstrengend ist vor allem das erste Stück bis Braunei, danach wirds flacher.
Unterwegs sehe ich Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Esel, Hühner. Alle einigermassen frei herumlaufend. Hier ists friedlich.
Nach dem Pass verregnet es mich komplett. Ich gerate mitten in eine Gewitterwolke, und innert einer Minute bin ich durch und durch nass und eine Minute später ein Eisklotz.
Darum läute ich an der Tür des ersten B&B, das ich in Dorgali erkennen kann – und erwische einen Glücksfall. Mutter und Tochter sind passionierte Bäckerinnen und tischen mir am kommenden Morgen alles auf, was der Backofen hergibt: warmes Brot, Kekse, Kuchen – ich bin selig.





Orosei
30 Kilometer von Dorgali bis Orosei, auf einer ruhigen Landstrasse.
Orosei ist durchaus sehenswert, darum nehme ich hier ein Hotelzimmer und geniesse einen letzten Sardinien-Sonnentag.
Am nächsten Tag schüttets wie aus Kübeln. Regenzeug anziehen, und dann fahre ich die knapp 100 km bis Olbia in einem Zug durch und nehme abends gleich die Fähre nach Genua.
Spontan, ungeplant, aber genau richtig – wie die ganze Sardinien-Reise.

Was mich Sardinien gelehrt hat
Sardinien ist für Fortgeschrittene
Sardinien ist zweifelsohne etwas vom Schönsten, was Italien landschaftlich zu bieten hat. Noch nie habe ich so viele zauberhafte Strände gesehen wie hier. Das Wasser ist so klar wie ein Bergbach. Nur wärmer und oft türkisfarben. Und gleich dahinter die Berge.
Oder sagen wir: vom Meer gehts in der Regel senkrecht aufwärts, und in diese Steilwände haben mutige Sarden Strassen gehauen. Wo immer möglich, führt die Strasse ans Meer hinunter. Und gleich wieder ab auf den Berg. Das gibt ein munteres Auf und Ab.
Ich mag Aufstiege, ich fahre auch gerne Pässe. Aber steile Strassen bringen mich schnell mal an meine Grenzen, und davon habe ich doch so manche erfahren auf Sardinien.
Sei einfach einigermassen fit, wenn du Sardinien per Fahrrad erkunden willst. Unterwegs wirst du sowieso trainiert, aber es macht sicher mehr Spass, wenn du die Steigungen grundsätzlich gut meistern kannst als wenn du bei Null Fitness anfängst. Dann fährst du besser erst mal auf dem Etsch-Radweg.
Sardinien ist nicht Italien
Doch. Ein bisschen schon. Immerhin kann ich mit fast allen Italienisch reden. Und «la crisi» haben sie hier auch, und Italien ist auch hier am Untergehen, so dass die fähigen Jungen massenweise abwandern. Nach Grossbritannien, USA, Deutschland. Oder wenigstens auf den «Continente», auf das italienische Festland.
Soweit alles italienisch. Aber die Sarden sind anders. Weitaus verschlossner als die Festland-Italiener, denen ich begegnet bin. Lächelst du in Italien jemanden an, kommt in der Regel ein Lächeln zurück. Lächelst du in Sardinien jemanden an, zerschellt dein Lächeln an seinem Pokerface (Männer wie Frauen).
Willst du etwas wissen, musst du laut und deutlich fragen, was du willst. Hoffe nicht auf entgegenkommende Hilfsbereitschaft. Ist die erste Hürde der Kontaktaufnahme aber geschafft (hartnäckig dranbleiben), dann ist alles wieder ganz italienisch freundlich. Ein bisschen wie in der Schweiz.
Beispiel:
Auf einem Pass bin ich leicht besorgt wegen meiner Hinterbremse. Die hat mir schon immer Ärger bereitet, und die Aussicht auf 1000 Höhenmeter Abfahrt mit kaum funktionierender Hinterbremse ist gar nicht berauschend.
Ein Radfahrer steht herum, wartet offensichtlich auf jemanden. Beäugt mich kurz, tigert herum, telefoniert, tigert herum, beäugt mich kurz. Der könnte mir vielleicht helfen.
«Ist dir jemand abhanden gekommen auf der Passstrasse?» Man braucht ja nicht immer sonderlich originell zu sein, wenn man Kontakt aufnehmen will.
«Ja, ich warte auf jemanden.» Ende. Tigert herum. Doro abgeblitzt.
Der ist jetzt mit Warten beschäftigt, keine freie Kapazität für Hilfeleistung. Ich mache mich bereit für die Abfahrt – ich habe ja noch die Vorderbremse.
Dann die überraschende Wende. Plötzlich ist er ganz gesprächig:
«Ah, da kommt der Erste. Schau, jetzt fehlt nur noch einer.» Ein zweiter Biker fährt heran, und schon sind wir mitten am Plaudern, als würden wir uns seit Tagen kennen. Der dritte Kumpel trifft kurz darauf ein.
«Meine Frau hat mich angerufen. Beim dritten Mal konnte ich den Anruf nicht mehr ignorieren.» Breites Grinsen auf allen drei Gesichtern.
Ein lustiges Trüppchen. Sie geniessen ihr ehefraufreies Bike-Wochenende ganz offensichtlich.
Etwas später knien die drei Herren vor meinem Fahrrad, beratschlagen, testen, drehen an Rädchen, es ist eine Freude. Schade, dass ich mich in solchen Momenten nicht getraue, ein Foto zu machen. Meine Hinterbremse zieht wieder anständig.
Allein per Fahrrad reisen ist grandios
Die Frage nach dem Alleine-Reisen kommt ganz zuverlässig jeden Tag. Alleine zu reisen ist eine Unerhörtheit, die die Italiener kaum eingeordnet bekommen. Die nördlicheren Europäer eher. Aber auch bei ihnen immer grosses Staunen. Mutig. Haha, ich und mutig. Das Angst-Thema hatten wir ja schon mal hier.
Kleine Szene in einem Pizza Take-away.
Ich trete ein. Pizzaiolo:
«Wieviele Pizze?»
«Eine.»
«Eine? Bist du allein?»
«Ja.»
«Hahahahahahahahahaha. Hahahahahahaha…» Der Kerl kriegt sich fast nicht mehr ein vor Lachen.
«Ist das lustig?»
«Hahahahahah. Ja. Hahahah. Sonst kommt man immer in Gesellschaft, oder? Hahahaha.»
Zugegeben, er ist nicht der klügste Mensch, den ich je getroffen habe. Aber trotzdem…
Aber nein, auch dieses Mal: ich bin gern alleine unterwegs, komme mit so vielen verschiedenen Leuten ins Gespräch.
Vielleicht ists wegen dem Velo oder meinem Wackel-Italienisch, dass sie mir in kürzester Zeit alles erzählen, was mich so interessiert. Wo sie leben, was sie im Winter arbeiten, wieviele Kinder sie haben, wo die Frau arbeitet, warum die Sarden so verschlossen sind, warum es nicht regnet, wenn der Maestrale bläst, wie es um die italienische Wirtschaft steht, warum Merkel an allem Schuld ist, wo das mineralreichste Wasser zu bekommen ist, …
Lies gerne mehr zu meinen lustigen Sardinien-Begegnungen!
Rad-Reisen ist ein Vollzeitjob
Das weiss ich schon lange. Aber jedes Mal stelle ich mir vor, dass ich kurze Etappen fahre, um 14 Uhr auf einem hübschen Campingplatz ankomme und dann viiiiel Zeit habe für Ferien: den Ort erkunden, Museen besuchen, nichtstuend aufs Meer gucken, schreiben, bloggen, lesen, mit Leuten plaudern, den Mond bestaunen, gut essen, was weiss ich was alles noch.
Die Realität sieht eher so aus:
- 7 Uhr aufstehen, Katzenwäsche
- Zelt abbrechen, Fahrrad packen, losfahren
- Bar suchen, «frühstücken» (Espresso mit etwas Süss-Fettigem), mit dem Barista plaudern
- Fahren, fahren, fahren
- Fotos machen
- Steil aufwärts fahren, abwärts fahren, aufwärts, steil aufwärts, steil aufwärts, aufwärts
- Nach dem Weg fragen, plaudern
- Fahren
- Kekse essen
- Abwärts flitzen, fahren
- Weg suchen
- Zweiter Kaffee und / oder Fanta
- Fahren
- Karte studieren, um einen Übernachtungsplatz zu orten
- Fahren, fahren, fahren
- Ankunft auf dem Campingplatz um 16.30 Uhr herum
- Einchecken
- Für einen Platz entscheiden (ganz schwierig, weil entscheiden in müdem Zustand noch schwieriger ist als sonst schon)
- Entscheiden, wie das Zelt auf dem Platz stehen soll
- Zelt aufstellen, alles einrichten
- Duschen, Kleider waschen
- 18.30 Uhr: Kohldampf, Riesenhunger, gleich kippe ich um vor Hunger.
- Nahrungssuche im nächsten Ort
- Und wenn ich dann irgendwann gegessen habe, kippe ich sofort ins Bett
Schon wieder ein Tag um ohne Ort erkunden, nichtstuend aufs Meer gucken, schreiben, bloggen, …
Tolle Beschreibung, Wahnsinn, dass du diese Steigungen geschafft hast, ich kenne Sardinien nur mit Auto, trau mich (noch) nicht mit Rad, lese immer wieder gerne deine Berichte, viele Saluti aus dem Veneto, wo ich gerade radele… E sì, da sola! Lustige Reaktionen auf eine einzelne Frau mit Rad gibt es sogar in Norditalien …
Hallo Simone – na, wenn frau mal auf einer Steigung ist, schafft sie es schon irgendwie. Also trau dich unbedingt auch nach Sardinien!
Wir Frauen könnten mal eine Sammlung der lustigsten Kommentare bezüglich unserer Alleinreise erstellen…
Eine wundervolle Tour im Veneto wünsche ich dir!
ich werd mich grad mit meinem Freund über deine Beschreibungen weg!!
Wir sind jetzt seid einem Monat in Italien unterwegs und grad auf der Fähre nach Sardinien.
Dein Vollzeitjob-Beitrag trifft unsere Erfahrungen haargenau!
Freuen uns schon ne ähnliche Route zu fahren wie du auf Sizilien. LG Lisa
Hallo Lisa
Jetzt weiss ich gar nicht, ob ich mich freuen soll, dass ihr gleiche Erfahrungen macht wie ich damals in Sardinien, zumal sie ja nicht so geschäftsfördernd sind… 😉
Seid ihr auch mit den Fahrrädern unterwegs und arbeitet?
Ich wünsche euch jedenfalls eine grandiose Reise und viel Freude bei all eurem Tun und Sein.
Herzliche Grüsse
Doro
Hallo Doro,
schöner Artikel und auch, wenn ich mir deine Qualen auf den steilen Straßen (salida, salida) bildlich vorstellen kann, werde ich es wohl im nächsten Jahr auch nach Sardinien wagen. Mit dem Motorrad kenne ich die Insel bereits aber das ist ewig her und mit dem Rad ist es ja doch immer noch etwas ganz anderes.
Viele Grüße
Anja
Ciao Anja
Himmel ja, diese Steigungen! Aber wie du ja schon weisst, lohnt sich alle Mühe.
Viel Freude beim Vorbereiten und vor allem Vorfreuen!
Ein herzlicher Gruss
Doro
[…] habe ja schon auf meiner Sardinien-Radreise versucht, von unterwegs Blog-Beiträge zu schreiben, was nicht so ganz geglückt ist, […]
[…] bin ich selig. Auf dem Balkon esse ich die Pizza, die ich unten im Dorf geholt habe. Bei diesem unsäglichen Pizzaiolo, von dem hier schon mal die Rede […]
Gut geschrieben – so gut, dass ich mir überlegen muss, ob ich nächstens auch mal in Sardinien herumkurven soll – allerdings ohne Velo und Zelt, gibt es doch bequemere Vehikel und Unter-künfte für bejahrte Individuen!!!
Bis bald zu Hause.
Danke schön! Du musst es dir nicht lange überlegen, geh einfach hin, es ist wirklich uuuu schön in Sardinien!
Ein Töff würde sich doch für die «bejahrten Individuen» anbieten, oder…?
Oder mit dem VW-Bus direkt am Meer übernachten, wow!
Viel Vergnügen!