Hast du schon einmal von Workaway gehört? Das ist eine grandiose Möglichkeit, mit wenig Geld die Welt kennenzulernen. Hier meine Erfahrungen von einem Monat Workaway in Francavilla al Mare in der mittelitalienischen Region Abruzzen.
Was ist Workaway?
Workaway ist eine Plattform, die interessierte Reisende und Gastgeber miteinander in Kontakt bringt. Als Reisende*r verbringst du eine Woche bis mehrere Monate bei einem Gastgeber und hilfst ihm bei zuvor vereinbarten Arbeiten. Im Gegenzug kannst du kostenlos bei ihm wohnen und essen.
Workaway funktioniert so:
- Du registrierst dich auf der Plattform
- Du suchst nach deinem Zielort und einer Tätigkeit, die dich reizt
- Du kontaktierst die gewünschten Gastgeber und wartest auf ihre Rückmeldung
- Du vereinbarst mit dem Gastgeber deinen Aufenthalt
- Los gehts!
Die Auswahl auf Workaway ist fast endlos. Einsätze sind auf der ganzen Welt möglich. Und auch was die Arbeit betrifft, findest du vielfältige Angebote: ob Hilfe in der Gastronomie, Hotellerie, in der Landwirtschaft, beim Sprachunterricht oder in einer Familie – fast alles ist möglich.
Die Plattform funktioniert extrem unkompliziert. Gastgeber wie Reisende können sich gegenseitig bewerten. Die Bewertungen sind für Suchende einsehbar, so dass du dir ein Bild machen kannst, was vorherige Reisende geschätzt oder bemängelt haben.
Ich wähle Marco und Maria Cristina, weil sie in den Abruzzen wohnen – eine Region, die mir gefällt und die ich näher kennenlernen möchte. Zudem ist mir ihr Profil sympathisch.
Mit Flixbus nach Bologna
Erst muss ich mal dahin gelangen, wo Marco und Maria Cristina wohnen, nach Francavilla al Mare bei Pescara.
Mit reduziertem Budget ist das ja immer ein Getüftel, aber wenigstens habe ich dieses Mal kein Fahrrad dabei, das macht alles wesentlich einfacher.
Wieder mal ist der Preis von Flixbus unwiderstehlich. So nehme ich den Nachtbus von Zürich nach Bologna. Morgens um 5 Uhr taumle ich aus dem Bus in die Dunkelheit.
3 Stunden Zeit, um etwas von Bologna zu sehen, bis der Anschlusszug fährt. Schwer beladen mit dem ganzen Gepäck, wanke ich durch die leeren Strassen. Was ich in der kurzen Zeit sehe, macht Lust auf mehr.
Die Piazza Maggiore ist so früh am Morgen noch ganz ruhig.
Und dann der erste Kaffee in einer Bar – immer wieder ein Grund für Glücksgefühle.
Die Zugfahrt von Bologna nach Pescara dauert 3 Stunden. Dann noch 3 Stationen mit einem Regionalzug, und ich stehe in Francavilla al Mare.
Francavilla al Mare
Steigst du in Francavilla aus dem Zug, siehst du dieses Denkmal, und gleich dahinter das Meer.
Francavilla al Mare liegt südlich von Pescara, ist aber praktisch mit der grössten Stadt der Region Abruzzen zusammengewachsen. Die Gemeinde Francavilla selber hat 25’000 Einwohner. Ein alter Ortskern existiert nicht, weil praktisch die gesamte Gemeinde im 2. Weltkrieg zerstört worden ist.
Francavilla liegt direkt am Meer und ist ein guter Ausgangspunkt, um das bergige Hinterland zu erkunden. Die Nähe zu Pescara macht es auch verkehrstechnisch attraktiv (Flughafen, grosser Bahnhof, grosser Busbahnhof).
Lust auf Sonne, Strand und Meeresrauschen? Voilà:
Ich habe Glück, mein Ankunftstag Mitte März ist prächtig. Wolkenlos, warm, fast schon sommerlich.
Meine Gastgeber, Marco und Maria Cristina holen mich vom Bahnhof ab, und los gehts in mein Zuhause der nächsten 4 Wochen.
Die Hauptakteure
Marco und Maria Cristina leben mit ihrer 2-jährigen Tochter Nina in Francavilla al Mare. Sie führen ein Bed & Breakfast mit riesigem Garten rundherum. Sie sind daran, eine Gärtnerei für Medizinalpflanzen aufzubauen und haben eine Reihe an weiteren Projekten, die sie realisieren wollen. Das Haus liegt etwa 10 Autominuten vom Ortszentrum entfernt – zu Fuss 30 Minuten.
Unten siehst du die Hauptakteure meines Aufenthalts, von links nach rechts:
Daniele: ein Freund von Marco, der seinen Job als Magaziner vor einem Monat aufgegeben hat, um sich seiner Leidenschaft, den Medizinalpflanzen zu widmen. Er hilft Marco im Garten und lernt von ihm, wie man Pflanzen sät, heranzieht, vervielfältigt, pflegt.
Marco: der Gastgeber von Workaway und Verantwortlicher des B&B. Er hat Agronomie studiert, seine Masterarbeit in Indien geschrieben, wo er mehrere Monate lebte, ist überhaupt viel gereist, hat jahrelang in Bergamo mit Freunden eine Bar geführt, war Couchsurfing-Gastgeber und ist die Ruhe in Person.
Franci: eine andere Workaway-Freiwillige. Sie ist Brasilianerin und will sich längerfristig in Italien niederlassen.
Maria Cristina: die Frau von Marco, ursprünglich in Peru geboren, in der Toscana aufgewachsen. Sie ist schamanische Lehrerin und unterstützt Frauen darin, in ihre weibliche Kraft zu kommen.
Frühlingshafte Gartenarbeit
In diesen Wochen helfe ich der Gastfamilie im Garten. Marco arbeitet nach den Grundsätzen der Permakultur, was ich neugierig verfolge. Es geht immer um die ganzheitlich Sicht, wir nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse von Pflanzen, Tieren und Menschen.
Was für eine schöne Arbeit – vor allem, wenn am Morgen die Sonne scheint und die Bienen schon emsig um den blühenden Aprikosenbaum herumschwirren.
Dieser Gartenteil ist bei meiner Ankunft noch im Winterschlaf, überwachsen mit den letztjährigen Pflanzen. Den befreien wir von allem, was nicht mehr dem diesjährigen Wachstum dient. Jetzt ist er bereit für Frisches.
Vieles muss zurückgeschnitten werden.
Weniger friedlich ist die Häcksler-Aktion. Alles Gejätete und Zurückgeschnittene wird klein gehäckselt. Hier ist Daniele am Werk:
Die zerkleinerten Teile werden rund um die jungen Pflanzen verteilt:
Darüber freuen sich auch die Katzen:
Bei Regenwetter sind wir im Treibhaus und säen.
Workaway bedeutet nicht Ferien
Leider sind die vereinbarten 4-5 Stunden Arbeitszeit nicht auf den Morgen beschränkt, wie ich mir das zuvor vorgestellt habe. Wir arbeiten am Morgen etwa 3 1/2 Stunden, dann gibt es eine laaaaange Mittagspause, und bis wir am Nachmittag unsere gute Stunde gearbeitet haben, ist es schon fast 17 Uhr.
So komme ich zu wesentlich weniger Ausflügen in der Umgebung als ursprünglich geplant.
So schön es hier auch ist, die Abgeschiedenheit des Hauses erweist sich als Nachteil für mein Vorhaben, möglichst viel von der Gegend zu sehen: bei Dunkelheit ist mir nicht mehr so danach, das stockfinstere Strässchen mit dem unbeleuchteten Fahrrad entlangzuholpern. Das bedeutet, dass ich spätestens um 19.30 Uhr zurück bin.
So fühle ich mich insgesamt etwas eingeengt dadurch, dass ich so oft zuhause und permanent unter Leuten bin. Obendrauf teile ich mein Zimmer mit anderen Workaway-Freiwilligen.
Und das ist gut so. Meine Komfortzone dehnt sich zünftig. Was sonst will ich denn, wenn ich solche Aktionen wie einen Workaway-Einsatz anzettle? Neue Erfahrungen machen, das bunte Leben spüren, alte Begrenzungen weiten. DAS will ich doch!
Merke: Workaway bedeutet nicht Ferien.
Aber ich komme trotzdem immer wieder mal zu Ausflügen. Sei es am Wochenende oder am Abend, das letzte Tageslicht ausnutzend.
So oft ich kann, bin ich am Meer:
Die grösseren Ausflüge stelle ich dir in separaten Artikeln vor.
Leben mit der Gastfamilie
Dafür erlebe ich gemeinsam mit der Gastfamilie Vielfältiges.
Immer für Experimente zu haben…
Die gemeinsamen Mittagessen sind immer wieder eine Freude. Wer hier ist, wird bestens verpflegt.
Risotto mit Artischocken und Süsskartoffeln aus dem Ofen. Himmlisch!
Arbeitspause:
Ein Kochkurs mit dem jungen Kochtalent Paride (3. v.r.) aus Pescara:
Immer wieder spontanes Singen, Trommeln, Handstand-Üben oder Federballspielen.
Und schliesslich bekomme ich zu meinem Abschied eine Torte, von Maria Cristina und Nina mit Liebe gemacht:
Insgesamt ist diese Erfahrung mit Workaway unbezahlbar. Bist du neugierig, reiselustig und offen für andere Lebensweisen, kann ich es dir von Herzen empfehlen.
Danke, Marco, Maria Cristina, Daniele, Franci und Nina, für die lehrreiche Zeit!
Liebe Doro,
Deine Geschichten zaubern mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Es macht unglaublich Spass zu lesen, wie das Leben an anderen Orten – weit oder weniger weit entfernt – gelebt wird. Ich fühle mich dadurch verbunden mit der Welt und den Menschen, die du uns näher bringst.
Toll, wie du dein Leben in die Hand nimmst. Du bist einfach ein «Crazy Chick».
Michel
Wow, Michel, danke dir von Herzen für deinen wundervollen Kommentar!
Was könnte ich mir mehr wünschen, als dass du dich beim Lesen von Miss Move mit der Welt verbunden fühlst. DAS macht mich richtig glücklich!
Vielen DANK
liebe Doro für diese sonnigen, blühenden, friedvollen, lebendigen, singenden, akrobatischen, rauschenden, sandigen, erdigen Eindrücke.
Ja, es sieht so aus, als wenn ich dort mal vorbei gucken sollte.
Stai bene – Cara mia!
Deine Artikel inspirieren mich jedesmals.
1000 Grazie
Susu
Ja genau, du solltest da mal vorbeigucken!
Die freuen sich auch über kurze Besuche. Total offen für alle/s, was sich ihnen zeigt.
Danke für dein schönes Feedback!