Das ist ein Gastartikel von Gianni König. Die Infos über Gianni und seine Frau Barbara, wie auch praktische Informationen zur Tour, findest du zuunterst im Beitrag.

Die im Artikel mit * markierten Links sind Partnerlinks. Wenn du über diesen Link eine Übernachtung buchst, bekomme ich eine kleine Provision. An deinem Preis ändert sich nichts. Danke für deine Unterstützung!


Ungeduld: Planung der E-Bike-Reise nach Sizilien

Warten, warten, warten… Jeden Montag im Frühjahr 2021 rufe ich das Reisebüro BLS an, um nachzufragen, ab wann man Veloplätze im Zug von Brig nach Mailand reservieren könne.

Um was geht es? Mitten im Corona-Chaos entscheiden meine Frau Barbara und ich, Italien mit unseren E-Bikes der Marke Stromer zu bereisen. Eigentlich wollen wir direkt von Bern nach Sizilien radeln, realisieren aber, dass wir wahrscheinlich bei der Überquerung des Simplon-Passes mit Schnee zu kämpfen hätten, Norditalien sowieso schon gut kennen und entscheiden deshalb, die Reise erst in Rom zu starten.

Zuerst informiere ich mich im Netz, wo man den Velotransport nach Rom reservieren kann. Per Zufall stosse ich auf die Website von Miss Move und lese da erstaunt, wie schlecht die italienischen Staatsbahnen diesbezüglich organisiert sind. Und die von Miss Move erlebte Velotransport-Story in Sardinien motiviert uns auch nicht gerade.

Machen wir es kurz: Der Transport unserer nicht faltbaren E-Bikes von Brig nach Mailand kann reserviert werden, die Weiterfahrt nach Rom ist schlicht unmöglich – oder man fährt mit dem Regionalzug, der für die Strecke fast zwei Tage braucht.

Unsere italienischen Freunde in Rom fragen nochmals auf den Hauptbahnhof Termini nach und erhalten folgende Auskunft: Die beste Velotransportmöglichkeit von Mailand nach Rom sei das Auto (sic!).

Karte der E-Bike-Tour Rom-Reggio Calabria

Die Route ist hier nur ungefähr und zur Übersicht eingezeichnet.

Mit Klick auf die Karte, kannst du sie in Bikemap öffnen und die GPX-Daten herunterladen, sofern du ein Bikemap-Abo hast. Falls nicht, schicke ich dir auf Anfrage die GPX-Daten per E-Mail zu.

Nach Rom mit Zug und Mietauto

Am 20. Mai geht es los. Mit dem Schnellzug von Bern nach Brig, die E-Bikes komfortabel im SBB-Velowagen abgestellt.

Fahrräder im Zug

Umsteigezeit in Brig: 40 Minuten. Der schnittige Cisalpino kommt aus Lausanne und fährt mit geschätzten 12 Bahnwagen ein. Die BLS warnte uns vorher, dass es auf der ganzen Zugskomposition nur zwei Veloplätze gäbe, aber diese von aussen markiert seien.

Wir schnallen die je 2 x 8 kg schweren Satteltaschen ab und hieven die 28 kg schweren E-Bikes in den Zug. Die beiden Veloplätze sind leider bereits mit grossen Reisekoffern verstellt, aber die Kondukteure zeigen sich sehr hilfsbereit und räumen diese weg.

Kurz darauf Zwischenstopp in Domodossola und grosse Aufregung wegen fehlenden Corona-Zertifikaten, aber mit einer Stunde Verspätung geht es weiter nach Milano.

Dort übernehmen wir das SUV-Mietauto, packen die beiden E-Bikes in den Kofferraum und sind sieben Stunden später in Rom.

Auto mit Fahrrad im Kofferraum

Diebstahlsicherung in Rom

Unsere römischen Freunde sind bereits im Vorfeld besorgt, dass man uns die teuren E-Bikes entwenden könnte. Sie stellen uns ihre Garagenbox zur Verfügung, die man nur nach Aufschliessen von drei Sicherheitstüren betreten kann.

Wir sehen dies jedoch eher entspannt. Während den Erkundungsfahrten in der Stadt Rom finden wir unsere E-Bikes immer unversehrt vor. Wir sichern sie immer mittels Faltschloss.

E-Bikes in Rom

Start der E-Bike-Tour in Rom

Am Pfingstmontag fahren wir bei leicht bedecktem Himmel los. Zuerst geht es auf einer rot markierten Velospur aus der Stadt Richtung Meer. Nach sechs Kilometern endet diese schon wieder, aber kurz darauf sind wir bereits am Meer.

Ab jetzt bewegen wir uns primär auf Neben- oder Hauptstrassen. Wir kommen flott voran und spulen am ersten Tag 90 km ab.

E-Bike-Fahrerin auf Radweg in Rom
2 E-Bike-Fahrer am Meer

Highlights Insel Procida und Amalfiküste

Wie gesagt, Ziel ist Sizilien. Sobald wir Rom verlassen haben, folgen wir der Küste Richtung Süden.

Erste Highlights sind das Küstendorf Sperlonga und das Bed & Bike in Gaeta*.

Küstenort Sperlongo in Italien

Nach drei Tagen sind wir bereits in Pozzuoli, der berüchtigten Hafenstadt der Camorra. Wir parken die E-Bikes in einem Agriturismo und fahren mit der Fähre für zwei Tage nach Procida. Aus unserer Sicht einer der schönsten italienischen Inseln. Sie wird übrigens Kulturhauptstadt 2022.

Insel Procida

Unterkünfte auf der Insel Procida kannst du ganz einfach über Booking.com* finden:

Weiter geht es durch Neapel zu Freunden in Castellammare di Stabia. Hier verbringen wir zwei Ruhetage und fahren danach entlang der weltberühmten Amalfiküste nach Salerno. Die Strasse ist extrem schmal, aber die italienischen Auto-, Bus- und Camionfahrer halten immer genügend Abstand. Complimenti!

Weiter gehts der Küste entlang Richtung Paestum.

Amalfiküste
Tempel in Paestum

Erste technische Probleme

Kurz nach Paola (Kalabrien) entscheiden wir, die steile Passstrasse nach Cosenza in Angriff zu nehmen, sind wir doch lange genug der Küste entlang geradelt.

Nach Erreichen von 300 m Meereshöhe, leuchtet auf meinem Display die Warnung HEAT auf, kurz darauf auch bei Barbara. Die Motorenleistung sinkt rapide. Was nun?

Serpetinen-Strasse mit Meersicht über Cosenza, Italien

Ich rufe meinen Veloladen in Bern an und frage nach Rat. Silvio kommt aus den neuen deutschen Bundesländern und kennt Italien nicht so gut. Seine erste Frage:

«Ihr seid doch in Süditalien, da ist doch alles flach?»

Leider nein. Wenn er das gewusst hätte, so hätte er mir gleich sagen können, dass diese E-Bikes nicht für Steigungen gebaut seien. Der Stromer ST1 sei ein reines Pendlervelo von A nach B, möglichst flache Strecken.

Wir müssten nun eine Pause von 30 Minuten einschalten oder Wasser über den Nabenmotor giessen. Wir tun wie empfohlen.

Glücklicherweise ist bei dieser ersten Panne gleich ein Agriturismo in der Nähe. Wir machen ausgiebig Pause und laden die Akkus.

Danach gehts weiter auf 500 Höhenmeter und schon wieder Warnung HEAT.

Nun rufe ich den Stromer-Laden direkt an. Der Mechaniker erklärt mir ehrlich, dass dieses Modell wirklich nicht für Pässe konstruiert sei, insbesondere nicht mit den Satteltaschen, die eine Kühlung des Nabenmotors verhindern. Gefahr für den Motor bestehe eigentlich nicht, bei zu hoher Hitze würde er automatisch abschalten. Wir sollen am besten umkehren und wieder zurück an die Küstenstrasse fahren.

Dies machen wir natürlich nicht, sondern legen wieder eine 30-minütige Pause ein und übergiessen den Motor zusätzlich mit Wasser aus einem Bach.

Nabenmotor E-Bike

Endlich erreichen wir die Passhöhe und fahren direkt nach Cosenza hinunter. Am nächsten Tag besuchen wir einen Velohändler, der auf E-Bikes spezialisiert ist. Er schüttelt nur den Kopf und meint, dass Nabenmotoren keine Chance in den Bergen hätten und wir bei der Rückkehr zurück über die Bergkette genügend Pausen einlegen sollen.

Am nächsten Tag fahren wir bereits um 6 Uhr los, als es noch kühl ist, fahren auf einer anderen Strecke wieder über den Berg, halten aber alle 30 Minuten an, bevor der Motor überhitzt.

Acht tote Rennradfahrer

In Lamezia Terme halten wir an der Gedenkstätte an, die an den tragischen Unfall von 2010 erinnert.

Damals fuhr ein Autofahrer in eine Radrenngruppe, tötete acht Fahrer und verletzte zwei schwer. Ganz Italien war geschockt und ich denke, dass dieser Unfall dazu führte, dass man seither allen Velofahrern grossen Respekt auf der Strasse entgegenbringt, insbesondere in Süditalien.

Flussdurchquerung und rote Zwiebeln in Tropea

An der langen Küste Kalabriens geht es weiter, bis uns der Garmin eine kleine Strasse durch Olivenhaine anzeigt. Wir folgen dieser, bis wir an einen Fluss gelangen, wo die Brücke weggerissen ist. Wir haben keine Lust umzukehren und traversieren das Wasser mit den E-Bikes.

Ortschaft und Küste in Kalabrien
E-Bike-Fahrer durchquert einen Fluss

Die heutige Strecke ist über 120 km lang, so dass wir unterwegs auf die Reserveakkus zurückgreifen müssen.

Frau wechselt den Akku ihres E-Bikes

Schon bald erreichen wir Tropea. Für uns eine der schönsten Städte in Süditalien. Hoch auf einem Felsen gelegen, überblickt sie majestätisch das Meer.

In dieser Gegend sehen wir überall kleine Marktstände mit roten Zwiebeln. Wir werden neugierig und halten bei einem Bauern an. Er zeigt uns voller Stolz seinen Gemüsegarten und lässt uns alles probieren. Feigen, Trauben, Tomaten etc.

Seither kaufen wir in der Schweiz nur noch diese milden roten Zwiebeln aus Tropea.

Häuser über dem Strand in Tropea

Von Rennradfahrern eskortiert nach Reggio Calabria

Ein weiteres Highlight ist Scilla, ein malerisches Fischerdorf. Ein ganz schmales Strässchen führt durch die Fischerhäuser. Mit unseren E-Bikes kommen wir überall durch.

Küstenort Scilla mit blau gestrichenen Häusern

Schon bald erblicken wir rechter Hand Sizilien und nähern uns auf einer viel befahrenen Strasse Reggio Calabria. Bei der Einfahrt in die Stadt werden wir von einer kleinen Radrenngruppe eskortiert. Spontan. Einfach so. Sie haben eine riesige Freude, uns zwei Radler kennenzulernen, die mit ihren E-Bikes von Rom bis in den Süden hinunter fahren.

Wir haben zwei Nächte bei Steeve gebucht, ein Kalabrese mit internationalen Wurzeln und Besitzer des B&B Casa Laganà* in Reggio Calabria.

Casa Laganà, Tafel eines B&B in Reggio Calabria

Am Abend erkunden wir diese lebendige Küstenstadt und finden wieder diese aussergewöhnliche Gastfreundschaft der Süditaliener vor.

Zwei Tage später wollen wir mit der Fähre nach Sizilien. Doch es kommt anders.

2 Italiener und 2 deutsche Touristen bei Fritto misto

Totalausfall E-Bike und Ende der Reise

Am Abreisetag packen wir frohgemut unsere Satteltaschen und verabschieden uns von Steeve.

Die ersten 100 Meter geht es steil hoch und kurz darauf fällt mein Nabenmotor aus. Wir warten ein wenig und versuchen immer wieder, den Motor zu aktivieren.

Nichts.

Austausch des Akkus.

Nichts.

Das Display schaltet ein, dann wieder aus und schliesslich bleibt es schwarz.

Somit Umkehr zum B&B. Steeve nimmt sich der Sache sofort an und kontaktiert zwei Velowerkstätten. Mit seinem Van fahren wir da hin, aber die Mechaniker sind mit Nabenmotoren nicht vertraut. Wir besuchen ein zweites Fahrradgeschäft, spezialisiert auf E-Bikes. Der Mechaniker führt verschiedene Tests durch und kommt zu folgendem Fazit:

Motor defekt, wahrscheinlich Wicklung des Nabenmotors verbrannt.

E-Bikes fahren im Früchte-Transporter heim

Weder der ACS noch TCS noch andere Versicherungen bieten eine E-Bike-Versicherung im Ausland an.

Der B&B-Besitzer Steeve organisiert kurzerhand einen Früchte-Transporter, der alle 14 Tage von Reggio Calabria nach Aosta fährt. Ihm übergeben wir die E-Bikes und holen sie vier Wochen später in Aosta ab.

Transporter bereit für den Verlag eines E-Bikes

Unsere Weiterreise nach Sizilien und Sardinien erfolgt mit Zug und Fähre und danach mit dem Flugzeug zurück nach Basel.

Für die Weiterreise kaufen wir in einem Chinesenladen zwei kleine Rollkoffer für je 12 Euro. Bei der ersten Überquerung eines Abflussgitters, bricht ein Rad ab und verschwindet in der Kanalisation.

Das Abenteuer geht weiter…

2 Rollkoffer vor Schnellboot

Praktische Informationen zur E-Bike-Tour nach Reggio Calabria

Tagesablauf und Unterkunft

Wir stehen meistens zwischen 9 und 10 Uhr auf und fahren dann bis zur ersten Bar. Dort geniessen wir italienischen Kaffee oder Ginseng sowie die leckeren gefüllten Cornettos. Danach eine erste Etappe mit ca. 40 km.

So gegen 14 Uhr suchen wir uns ein Restaurant und verpflegen uns meistens mit Pasta oder Fisch.

Fritto misto
Tisch voller italienischer Leckereien

Danach weitere 50 bis 70 km bis zur Unterkunft, die wir jeweils am Vorabend reservieren. Wichtig für uns ist ein Abstellraum oder ein kleiner Hof für die E-Bikes, so dass niemand in Versuchung geführt wird.

Sobald wir angekommen sind, müssen die beiden Akkus geladen werden. Anschliessend geht es gegen 21 Uhr zum Abendessen. Wir kommen gegen 23 Uhr ins Hotel zurück und laden dann noch, falls sie im Einsatz waren, die Reserveakkus.

Konklusion dieser E-Bike-Tour

Bergige Strecken würden wir nur noch mit E-Bikes mit Mittelmotor fahren. Wenn möglich, mit einem Motor von Bosch, den man überall kennt und reparieren kann.

Navigation

Jeweils am Vorabend bestimmen wir die Strecke und speichern sie im Garmin.

Die ideale Distanz ist 100 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 25 km/h. Dies lässt uns genügend Zeit für Sehenswürdigkeiten und einen leckeren Lunch.

Die Navigation nutzen wir nur für das Auffinden der Unterkünfte in den Städten, denn wir fahren sonst immer der Küste entlang.

E-Bike-Lenker mit Garmin

Nächste E-Bike-Tour

Im kommenden Mai/Juni gehts wieder nach Italien. Diesmal planen wir die Strecke Brennerpass – Lecce mit unseren alten Stromer-E-Bikes.

Auf dieser Route geht es eigentlich nur abwärts oder ist flach. Sollte also mit den Nabenmotoren zu meistern sein.

Zwischenzeitlich wurde mein Nabenmotor und der Sensor ausgetauscht. Kostenlos.

***

Gastautor Gianni König

Ich fuhr schon als kleiner Knirps mit grösster Freude Dreiradvelo, später auch Tourenrad, Mountainbike und seit ein paar Jahren zusätzlich auch E-Bike.

Früher packten meine Gattin und ich die Velos hinten in den Van und fuhren Rundstrecken in der Schweiz und in den angrenzenden Ländern. In weit entfernten Staaten wie Japan, Australien, Argentinien, USA etc. mieten wir die Fahrräder.

Seit einem Jahr besitzen wir nur noch kleine Autos und kamen deshalb auf die Idee, direkt von der Haustüre aus zu starten. So kam diese E-Bike-Tour Rom – Süditalien im Mai/Juni zustande.

Nebst Velofahren sind wir grosse Berggänger und campieren meistens in unserem Biwakzelt.

Barbara ist 66, ich 70 Jahre alt. Wir sind seit 38 Jahren verheiratet und wohnen in Muri bei Bern. Beruflich sind wir seit unserer Pension in der FOUNDATION COKE engagiert, eine Stiftung, die Musiker und Kinder national und international unterstützt.

2 E-Bike-Fahrer im Regen

Vielen Dank, Gianni und Barbara, für euren spannenden Artikel!