Am letzten Tag meiner Pässetour fahre ich zurück nach Bormio und überquere gleich 2 Pässe: den Passo dell’Eira und den Passo di Foscagno.
Klick auf die folgende Karte, um die gesamte Tour genauer anzuschauen.
Das Programm:
Tag 0: Susch im Engadin – Camping Morteratsch, Pontresina
Tag 1: Morteratsch – Berninapass (2330) – Tirano – Bormio
Tag 2: Bormio – Passo dello Stelvio (2757) – Prad am Stilfserjoch
Tag 3: Prad – Ofenpass (2149) – Livigno
Tag 4: Livigno – Trepalle – Passo dell’Eira (2208) – Passo di Foscagno (2291) – Bormio
Tag 5: Bormio – Tirano – Zug zurück
Minipass und Hagelkörner
Den Start von Livigno nach Trepalle erlebe ich noch bei trockenen Strassen, aber die dunklen Wolken sitzen mir verheissungsvoll im Nacken. Früher oder später werden sie mich einholen, das ist mir klar.
In Trepalle ists so weit: ein Platzregen, vermischt mit Hagelkörnern bricht nieder. Ich kann mich gerade unter einen Hauseingang retten.
Dort erfahre ich von einem anderen Schutzsuchenden, dass ich den ersten Pass bereits bewältigt habe. Der Passo d’Eira erledigt sich mit dem Erreichen des Ortes Trepalle. Der war easy, den kann man fast nicht “Pass” nennen.
Nach Trepalle folgt eine Abfahrt wie nach jedem Pass. Heute nicht so erfreulich, weil die Strasse durch den Regen seifig glatt ist. Auch die Motorradfahrer sind jetzt zahm unterwegs.
Die Strecke zwischen Trepalle und dem Passo del Foscagno gefällt mir. Es regnet zwar wie verrückt, und der Verkehr ist auch lästig, aber die Landschaft ist hübsch. Eine Art Hochebene oder Hochtal, oder was weiss ich, wie man so eine Landschaft nennt. Wie das wohl erst bei Sonnenschein aussehen mag?
Am Passo del Foscagno steht ein Zollhaus. Die Autos stauen sich Hunderte von Metern.
Ähm,…? Wieso denn ein Zoll mitten in Italien? …?
Irgendwann dämmerts mir, dass Livigno “zona franca” ist, eine Freizone. Hier werden keine Zölle erhoben. Dadurch kann vieles günstiger verkauft werden.
Jetzt verstehe ich auch, warum auf dieser Strasse am Sonntag Morgen so unfassbar viele Autos unterwegs sind: die gehen alle shoppen. Zigaretten, Kaffee, Parfüm, Lindt Schokolade, …
Ja, richtig, was soll man denn sonst an so einem verregneten Sonntag tun?
Der Passo del Foscagno ist zwar höher als der Ofenpass, aber viiiiiiel leichter zu befahren. Klar, ich bin ja auch viel höher gestartet.
Von dem, was nachher folgt, weiss ich nicht mehr viel. Es regnet immer stärker. Ich bin schon derart durchnässt, dass es sich nicht mehr lohnt, einen Unterstand zu suchen. Anfangs kriege ich noch mit, dass es eine wunderschöne Aussicht gäbe, viele Picknickplätze, tolle Landschaft.
Danach friere ich nur noch. Je schneller ich unten bin, desto wärmer wird es, denke ich noch. Aber es ist schon zu spät, ich schlottere schon dermassen, dass ich keine Temperaturunterschiede mehr mitbekomme. Das Hirn arbeitet auch nur noch auf Sparflamme.
Ich überhole Rennradfahrer, die nicht einmal eine Regenjacke tragen. Kurzärmlig und -beinig fahren sie tapfer durch die Fluten.
Als ich merke, dass ich nicht mehr sicher bremsen kann, weil mir die Hände einfrieren, peile ich die nächste Bar an. Die ist glücklicherweise freundlich und warm. Der heisse Tee belebt mich wieder einigermassen.
Und dann mache ich etwas ganz Starkes: ich buche mir ein Bett in einer Jugendherberge in Bormio! Ein Glücksfall, wie sich später herausstellt.
Aber erst warte ich noch, bis es weniger regnet. Nach einer Stunde sehe ich im Gespräch mit einem Einheimischen ein, dass es heute nicht mehr weniger regnen wird.
Also los, raus in die Sintflut:
Der Glücksfall von Bormio: das Ostello Alpino
Die Fahrt nach Bormio dauert nur noch etwa ein halbe Stunde. Glücklicherweise führt der direkte Weg zu meiner Jugendherberge über eine kleine Panoramastrasse mit einer netten Steigung. So wärme ich wieder etwas auf.
Von der Strasse aus bietet sich ein weiter Blick über Bormio:
So. Jetzt will ich hier unbedingt eine grosse Werbung platzieren. Die Jugendherberge von Bormio, die ich zufällig eine Stunde zuvor online gebucht habe, ist haargenau, was ich in diesem Moment, nass und frierend und müde, brauche: ein warmer, freundlicher, offener, gemütlicher Ort zum Sein.
Und das für 40 Euro für ein Bett im 6er-Zimmer, Frühstück inbegriffen.
Ostello Alpino heisst dieser Wunderort, den ich dir dringend zu besuchen empfehle. Im Juni 2017 neu eröffnet. Fahrrad-, Familien- und überhaupt freundlich. Die 6er-Zimmer haben alle ein eigenes Bad. Es gibt aber auch Familien- und Doppelzimmer.
Ich werde sehr freundlich empfangen. Mein Fahrrad kriegt einen Garagenplatz. Damit bin ich im Grunde schon vollumfänglich glücklich. Aber es kommt noch viiiiiel besser!
Ein richtiges Wohnzimmer mit echten Büchern…
… um sich an einem Regentag genüsslich aufs Sofa zu fläzen und einzutauchen:
Wem das zu langweilig ist, betätigt sich sportlich:
Selbstverständlich gibts auch schnelles wlan:
Und einen riesigen Garten, der heute etwas traurig dasteht:
Wenden wir uns lieber den Details im Innern zu.
Die Hausregeln:
- Lache jeden Tag
- Bewundere die Sterne
- Lies ein Buch
- Lerne jeden Tag etwas Neues
- Entspann dich
- …
Am Abend gibt es tatsächlich ein echtes Feuer. Wir Gäste sind uns einig: Weihnachtsstimmung kommt auf. Einfach wundervoll!
Am nächsten Morgen scheint die Sonne wieder.
Ich nehme Abschied vom lieb gewonnenen Ostello Alpino.
Und von Dim, dem jungen Griechen, der mit seinem Motorrad in 2 Wochen halb Europa abgespult hat.
Dann erst sehe ich, wie hübsch Bormio ist. Das ist echt eine Reise wert. Ein bisschen Bergort-Feeling mit viel Italianità. Auch im Winter soll es hier grossartig sein. Das werde ich dann wohl mal ausprobieren müssen.
Und dann wirds Zeit, mich auf die Rückfahrt nach Tirano zu machen, auf dem Sentiero Valtellina, auf dem ich schon am 1. Tag meiner Pässerundfahrt hochgefahren war.
Liebe Doro
Dein Bericht von dieser Pässefahrt macht ja richtig “gluschtig” und flösst auch Respekt ein: vor den Alpenpässen und deiner Leistung. Chapeau!!!
Kompliment auch für deine Fotos. Sie illustrieren deinen Bericht wunderbar und ich weiss, dass es bei langen Touren manchmal Überwindung braucht, anzuhalten, die Kamera heraus zu kramen und noch einen guten Blickwinkel zu suchen. Vor allem, wenn es entweder grad so schön abwärts rollt oder aufwärts einem alle Energie abgefordert wird.
Noch mehr Details höre ich gerne mal wieder bei einem persönlichen Treffen mit dir.
Viele liebe Grüsse
Monika
Liebe Monika
Ganz lieben Dank für dein schönes Feedback! Es freut mich natürlich besonders, wenn der Bericht dich gluschtig macht – genau dafür ist Miss Move da!
Oh, du kennst das mit den Fotos? Wie oft denke ich beim Schreiben eines Artikels, dass es doch jammerschade ist, dass ich von da und dort kein Foto habe. Zu faul, um anzuhalten… Aber zum Glück lerne ich und zücke auch mal die Kamera, wenn mir der Wind um die Ohren pfeift und die Schuhe schon pflotschnass sind.
Ich freue mich schon auf unseren nächsten persönlichen Austausch!
Ganz herzlich,
Doro
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